Frühe Eisenbahnen in Britannien
Die erste öffentliche Eisenbahn und ihre Vorläufer
von Derek A Bayliss
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Bahnen anderswo den Spurkranzrädern treu. Im Endeffekt nahm die moderne Eisenbahn den von ihr beschrittenen Weg wegen der Erscheinens der gewalzten I-Schienen und besonders deshalb, weil diese das Gewicht der Dampflokomotiven besser als die gußeisernen L-Schienen tragen konnte. Aber ein Netz von L-Schienen hielt sich bis ungefähr 1860 in Südwales, und vereinzelte Strecken in verschiedenen Teilen Englands überlebten bis in dieses Jahrhundert. Beispielsweise bestand die Little Eaton Gangway bei Derby bis 1908 und ist gut auf Fotografien festgehalten. Die Peak Forest  Tramway, die südlich von Manchester mehrere Kalksteinbrüche bediente, wurde Eigentum der Great Central Railway und existierte - immer noch mit Pferdetraktion - bis in das Jahr 1920. Und zwei sehr kurze Strecken sind heute immer noch in Fabriken in Yorkshire in Betrieb, obwohl diese heute Schienen aus Winkeleisen statt extra angefertigter L-Schienen haben.

   Die meisten der bis zum Ende des 18. Jahrhunderts gebauten Eisenbahnen waren Privateigentum. Darunter ist zu verstehen, daß sie einem einzigen Bergwerk oder einer einzigen Hütte gehörten und deren Güter beförderten. Wenige Bahnen gehörten einer Zahl von Bergwerken gemeinsam. In den l79Oern wurden einige wenige Linien von den Kanalgesellschaften gebaut. Sie waren als Zweiglinien oder Verlängerungen der Kanäle anzusehen und standen jedermann - wie die Wasserwege selber - zur Benutzung offen, der auf ihnen Güter befördern wollte und Maut entrichtete. Aber bis 1803, als die Surrey Iron Railway ihren Betrieb aufnahm, gab es keine reinen Eisenbahn-Unternehmungen, die in dieser Form der Öffentlichkeit zugänglich waren. (Erst bedeutend später begannen Eisenbahn-Gesellschaften mit der Übernahme von Gütertransporten für die Öffentlichkeit)

   Da die Eisenbahnen weitgehend Zubringerdienste für die Kanäle verrichteten, hätte man erwartet, daß die erste öffentliche Eisenbahn in einem Gebiet gebaut worden wäre, welches für den Kanalbau zu

linie.gif (841 Byte) gebirgig gewesen wäre. Stattdessen aber geschah dies in leichtem Gelände nur wenige Kilometer von London entfernt. Das Tal des Wandle zwischen Croydon, das damals eine kleine Marktstadt war, und der Einmündung in die Themse bei Wandsworth war ein bedeutendes Zentrum der Industrie mit mehr als vierzig, mit Wasserkraft arbeitenden Fabriken, die Waren für die Stadt London produzierten. Es gab dort Mühlen, Textildruckereien, Kupfer- und Eisenhütten, Leder- und Papierfabriken.

   1799 beauftragten die Fabrikanten, die einen Kanal zur Themse wünschten, den Kanalbau-Ingenieur William Jessop mit einer Untersuchung. Nach einer Prüfung machte er darauf aufmerksam, daß man das Wasser für den Kanal nur vom Wandle ableiten konnte, von dessen Wasserkraft aber wiederum der Betrieb der Fabriken abhing. Stattdessen überzeugte er sie, eine Eisenbahn zu unterstützen und nahm ein Kommitee von vier Leuten mit, um die Peak Forest Tramway und andere Bahnen zu besichtigen, die er gebaut hatte.

     Gegen Ende des Jahres 1800 vermaß er eine 13,2 Kilometer lange Strecke von Wandsworth über Merton und Mitcham nach Croydon mit einer zwei Kilometer langen Zweigstrecke von Mitcham nach Hackbridge, wo sich eine wichtige Gruppe von Mühlen befand. Bald war ein Gesetz zur Genehmigung einer Eisenbahn längs dieser Route und zur Gründung der Surrey Iron Railway verabschiedet und am 21. Mai 1801 von König Georg III unterzeichnet. Der Hafen der Eisenbahn in Wandsworth wurde am 7. Januar 1802 eröffnet, und ein Teil der Eisenbahn bei Wandsworth mag später im gleichen Jahr den Betrieb aufgenommen haben. Die Bahn von Wandsworth nach Croydon wurde am 26.7.1803 eröffnet. Wir wissen nicht, wann die Hackbridge-Zweiglinie ihren Betrieb aufnahm, aber das wird möglicherweise zur gleichen Zeit geschehen sein.

     Die neue Eisenbahn war durchweg zweigleisig gebaut und mit L-förmigen Plattenschienen